Wachstum trotz Ukrainekrieg und Lieferengpässen. Mehr Flexibilität und Reichweite durch Kombination von Coptern. Geodäten setzen auf integrierte Kombination von Sensoren. Gesetzgebung in USA und Europa bewegt sich.
Herr Wackwitz, Sie beobachten die Branche mit Ihrem Marktforschungsunternehmen Drone Industry Insights seit Jahren intensiv. Wie hat sich der Markt für Drohnen im letzten Jahr entwickelt?
International ist festzustellen, dass der Markt wächst und sich weiter professionalisiert und stetig an Zugkraft gewinnt. Bei der Gesetzgebung schaut man immer besonders aufmerksam in die USA und da tut sich gerade sehr viel, was die Operation, besonders die Vorgaben zu so genannten NPRMs oder in Europa das PDRA (Pre-defined Risk Assessment) angeht. Die Folge ist, dass der Betrieb viel besser skalierbar wird. Es können längere Distanzen geflogen werden und damit größere Flächen erfasst werden. Auf einmal fängt das an, richtig Spaß zu machen. In Europa haben die Behörden auch nicht gerade geschlafen. Das Interesse und die Auseinandersetzung mit der Technologie ist da. Das heißt nicht, dass der große Stöpsel gezogen wurde, aber wir sind in einer Situation, die deutlich besser ist als noch vor einem Jahr. Was die Finanzierung angeht, war der letzte Herbst und Winter dem gegenüber brutal. Durch den Ukraine-Krieg sind Investoren deutlich mehr auf Sicherheit gegangen und haben ihren Einsatz in neue (und möglicherweise riskante) Produkte zurückgeschraubt. Wer letzten Herbst kein Funding hatte, der würde auch erstmal keines bekommen. Das hat vielen kleinen Unternehmen sehr weh getan. Viele Ideen konnten daher gar nicht erst auf den Markt gekommen. Das Investment des Gesamtmarkts unbemannter Flugobjekte sank von rund 8 Milliarden US-Dollar (in 2021) auf 4,8 Milliarden US-Dollar (in 2022). Aber wie gesagt: Trotz aller Schwierigkeiten wächst der Markt professioneller unbemannter Vehikel.
Wie hat sich das Segment Vermessung/Monitoring/Earth Observation/Lokalisierung/Mapping entwickelt?
Es tut sich viel, Stichwort Multisensorik. Beispielsweise werden Laserscanning und optische Kameras öfter miteinander verbunden und sind als Tandem im täglichen Gebrauch. UAVs sind bei den Geodäten mittlerweile ein selbstverständliches Werkzeug unter vielen. Die Lösungen werden beständig kleiner, handlicher und sind intuitiv zu bedienen und das auf höchst professionellem Niveau. Das ist eine neue Evolutionsstufe. Es gibt sehr handliche Lösungen wie der Hexagon BLK2Fly, einem autonom fliegenden Laserscanner, der vom Time Magazine sogar zu einer der besten Erfindungen 2022 ausgezeichnet wurde. Neben den Drohnen selbst werden die Prozesse ebenfalls immer professioneller, Datenverarbeitung, Konnektivität der Geräte, das alles ist mittlerweile so abgestimmt, dass man viel Zeit sparen kann.
Gerade schließen wir übrigens unsere 6. globale Drohnenumfrage ab – unser Industry Barometer wird in Kürze frei zum Download sein und dort wird es dann auch die aktuellsten Informationen zur Entwicklung der einzelnen Industrien und Einsatzfelder geben.
Gibt es neue Technologien, die Drohnen zu neuen Anwendungen im Geo-Segment verhelfen?
Es ist eher die Verbindung von Technologien, die gerade Trends setzen. Wie gesagt, etwa die Kombination aus Laserscanning und Fotografie oder auch von Magnetometern und Radartechnologie. Es gibt keine komplett neuen Technologien in dem Feld – das Credo lautet vielmehr „Low and Slow“, dann gibt es die beste Datenqualität. Wenn man große Strecken fliegen will, muss man einen Kompromiss finden zwischen Fluggeschwindigkeit und Datenqualität. Als neue Verbindung von Technologie (nicht in der Anwendung, sondern im Drohnendesign) kann man die „VTOL-Technologie“ (Vertical Takeoff and Landing) hervorheben. Sie verbindet die Vorteile von Starrflügler-Drohnen (Fixed-Wings), mit Coptern, die senkrecht in die Luft starten können. Man braucht keine Start- und Landeinfrastruktur, ist sehr flexibel in der Datenakquise und hat viel höhere Reichweite. Diese werden sicher auch auf der INTERGEO zu sehen sein.
Gibt es unabhängig von neuen Technologien neue Anwendungsfelder im Geo-Segment oder eine Intensivierung der Nutzung in bereits vorhandenen Anwendungsfeldern?
Das ganze Thema Umweltmonitoring und im Speziellen Waldmonitoring ist selbstverständlich gerade stark gefragt. In Deutschland sind Einsätze und deren Finanzierung allerdings durch die föderale Struktur sehr komplex. An der Küste ist das Thema Hochwasserschutz elementar, beispielsweise die Inspektion von Deichen wird auch mit Drohnen durchgeführt. Der Klimawandel bringt immer neue Anwendungsfelder auch für Drohnen mit sich, denn als fliegende Sensoren sind sie flexibel und schnell einsetzbar, um auch kurzfristig Überblick zu verschaffen.
Welche Hürden gibt es derzeit für den Einsatz von Drohnen?
Nach wie vor dürfen Drohnen meist nur auf Sicht fliegen. Wir haben einen dicht besiedelten Luftraum und müssen und diesen mit anderen Luftfahrzeugen teilen. Es gilt die Devise: Safety first. Der Drohnenmarkt wird also ein stark regulierter Markt bleiben. Der heilige Gral der Drohnenindustrie heißt BVLOS (Beyond Visual Line of Sight) und beschreibt den Flug außerhalb der Sichtweite des Piloten. Einheitliche Regeln gäben dem Markt einen enormen Schub. Die Europäische Luftfahrtagentur EASA arbeitet an sogenannten Standardszenarien. Die EASA geht da einen sehr praktikablen Weg mit den PDRA‘s (Pre-Defined Risk Assessments). Diese beschreiben spezielle Szenarien - etwa die Inspektion eines Windrads oder die Vermessung einer Brücke oder einer Baustelle. Betrachtet wird dabei immer das so genannte Air-Risk, also die Gefahr, dass irgendetwas in der Luft kollidiert und zum zweiten das Ground-Risk, also die Gefahr, dass bei einem Absturz Personen- und Sachschäden entstehen. Zu jedem Szenario gehört es eine Risikobewertung und Vorgaben, die eingehalten werden müssen. In den USA versucht die FAA (Federal Aviation Administration) hingegen einen allgemeingültigeren Weg zu finden. Unabhängig vom Ansatz ist aber allen gemein, dass man auf der Suche ist nach einem Weg ist, Drohnen als Werkzeug über große Distanzen zu nutzen. Die Akzeptanz ist mittlerweile hoch – man könnte sagen, die Drohne ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Negativ schlägt jedoch der Ukraine-Krieg zu Buche. Die Reputation sinkt, wenn viele Menschen Drohnen noch als Waffe wahrnehmen. Das schädigt das gesamte Ansehen der Branche. Ich hoffe, dass sich das bald wieder ändert und wieder stärker zwischen den Einsatzarten differenziert wird.
Herr Wackwitz, wir bedanken uns für das Gespräch.
Das Interview führte Monika Rech-Heider